ISS Expedition 40/41 Briefing im Johnson Space Center in Houston, Texas mit dem deutschen ESA-Astronauten Alexander Gerst
Die Expedition 40/41 Crew, die am 28. Mai 2014 vom Kosmodrom Baikonur zur Inter-nationalen Raumstation (ISS) starten soll, absolvierte im März 2014 ihr letztes Training im Johnson Space Center in Houston, Texas. Am 19. März 2014 fand das Briefing und Interviews mit den drei Kosmonauten und Astronauten statt, in dem sich die Crew den Fragen der Journalisten stellte. Sojus Kommandant Maxim Surajew von der russischen Raumfahrtagentur Roscosmos, Flugingenieur Reid Wiseman von der amerikanischen Raumfahrtbehörde NASA sowie der deutsche Alexander Gerst von der europäischen Raumfahrtagentur ESA sprachen mit Journalisten und Social Media über ihre bevor-stehende Langzeitmission.
Surajew erläuterte die geplanten russischen Außenbordeinsätze, die er mit seinem Kollegen Oleg Kotow durchführen soll. Reid Wiseman sprach über wissenschaftliche Experimente und seine geplanten zwei Außenbordeinsätze, die er während des etwas mehr als fünfmonatigen Aufenthaltes, durchführen wird. ALexander Gerst sprach über seine wissenschaftlichen Experimente im Columbus Forschungslabor und seinen be-vorstehenden Außenbordeinsatz, den er mit dem NASA Astronauten Reid Wiseman durchführen wird.
Maxim Surajew ist ein erfahrener russischer Kosmonaut, der bereits einmal im Welt-raum war. Bei seiner ersten Mission, vom 30. September 2009 bis 18. März 2010, war er der Flugingenieur der Expedition 21/22 an Bord der Internationalen Raumstation.
Reid Wiseman ist einer der beiden Neulinge, und die Expedition 40/41 wird seine erste Langzeitmission auf der ISS sein.
ALexander Gerst ist der zweite Neuling und der 11. Deutsche, der ins All fliegt. Er wur-de im Mai 2009 als einer von sechs neuen europäischen Astronauten der ESA ausge-wählt. Er ist nun der zweite dieser Gruppe, der eine Langzeitmission auf der ISS durch-führen wird. Expedition 40/41 wird nicht nur seine erste Langzeitmission auf der ISS sein, sondern er soll auch noch einen Außenbordeinsatz bei seiner ersten Mission durchführen.
Der Start der Expedition 40/41 ist für den 28. Mai 2014 an Bord einer Sojus Rakete mit dem Raumschiff Sojus TMA-13M vom Kosmodrom in Baikonur in Kasachstan geplant. Am 17. November 2014 soll die Crew in der Nähe von Arkalik in Kasachstan wieder zur Erde zurückkehren.
Mission Blue Dot – Interview am 19. März 2014 mit ESA-Astronaut Alexander Gerst im Johnson Space Center in Houston, zwei Monate vor Beginn seiner knapp sechsmonatigen Langzeitmission auf der ISS
Sie haben Ihr Training praktisch abgeschlossen, welche Meilensteine liegen noch in den nächsten zwei Monaten bis zum Start Ende Mai vor Ihnen?
Wir befinden uns nun etwa 70 Tage vor dem Start, und im Prinzip ist es ja so, dass man als Mannschaft zur ISS fliegt. Das bedeutet, dass man eigentlich schon ein halbes Jahr vor seinem Flug vollkommen ausgebildet sein muss. Weil man da die Ersatzmannschaft für die Mannschaft ist, die ein halbes Jahr vor einem fliegt. Das heißt, im November wa-ren wir schon alle in Baikonur, da mussten wir vorher schon alle Prüfungen bestehen, um wirklich im Notfall als Ersatzmannschaft mit der Sojus zur Raumstation fliegen zu können. Was danach kommt, ist eigentlich das Training für die wissenschaftlichen Ex-perimente. Da werden beispielsweise Basisdaten und Vergleichsdaten gesammelt, die dann nach dem Flug mit den Daten verglichen werden können, die wir im Orbit gesam-melt haben. Außerdem werden dann die wissenschaftlichen Experimente trainiert, die wir sonst nicht trainiert haben, da wir sie auf der Raumstation nicht gesehen hätten, wenn wir als Ersatzmannschaft geflogen wären. Die sechs Monate zwischen dem Start als Ersatzmannschaft und dem eigentlichen Start sind mit mehr Details gefüllt, die man dann auf der Raumstation zu erledigen hat. Also man trainiert ganz konkrete Arbeiten im Detail, die man dann da oben ausführen wird. Beispielsweise kurzfristige Wartungs-arbeiten, die immer anfallen können, werden wir dann noch trainieren. Der nächste gro-ße Schritt, den wir vor unserem Flug haben, ist, dass wir die einzelnen Prüfungen über einen Zeitraum von zwei Tagen noch einmal machen müssen. Also die Prüfungen, die wir schon einmal als Ersatzmannschaft durchgemacht haben, diese müssen wir jetzt noch einmal in Russland wiederholen. Das ist noch einmal ein großer Schritt, und dann geht es schon los nach Baikonur, wo wir uns für den Start vorbereiten. Es sind also nicht mehr viele Meilensteine übrig, die wir bis dahin haben.
In den letzten zwei Wochen bereiten Sie sich im Kosmodrom in Baikonur auf den Start vor. Was passiert in dieser letzten Phase?
In den zwei Wochen vor dem Start, da ist man dann in Quarantäne, und da ist bewusst das Tempo so gewählt, dass man sich so ein bisschen entspannen kann. Diese letzten beiden Wochen sind dazu da, um zu dekomprimieren und um einige Prozeduren und Überprüfungen, beispielsweise im Sojus Raumschiff und mit den Raumanzügen, vor dem Start noch einmal zu wiederholen und durchzuführen.
Welcher Teil des Trainings war für Sie die größte Herausforderung sowie die spannendste Erfahrung?
Das sind alle Aktivitäten, die wir in dem großen Schwimmbecken im Raumanzug durch-führen. Vom ersten Tag an hat es mich überrascht, wie es einen physisch und mental fordert. Ich dachte immer, dass mein früherer Job sehr anspruchsvoll war. Aber wenn man einen Raumanzug anzieht und sich damit für etwa sechs Stunden unter Wasser begibt, dann bist du am Ende physisch und mental nur noch erschöpft. Das sticht für mich aus dem Training heraus.
Sie sollen während Ihrer Mission einen Außenbordeinsatz durchführen? Welche Arbeiten sollen Sie dabei erledigen?
Bei dem Außenbordeinsatz (EVA)* werden Reid Wiseman und ich Neukonfigurationen des Kühlsystems vornehmen. Bei den letzten EVA`s vor einigen Monaten hatten wir ja einen Austausch eines Pumpenmoduls für das externe Kühlsystem der Raumstation gehabt. Dabei ist das defekte Pumpenmodul am Robotersystem geparkt worden. Das ist praktisch ein Endeffektor des Roboterarms, der dort installiert ist, um im Prinzip Ge-räte temporär dort abzustellen. Das ist aber ein Platz, der relativ wichtig ist für mögliche Notfallausstiege oder Notfalloperationen im Orbit, falls eine weitere Anlage oder Bauteil ausfallen sollte, und dann muss man das dort auch eventuell abstellen. Das heißt, wir wollen den Platz so schnell als möglich wieder freikriegen, und gerade deshalb werden wir bei diesem Außenbordeinsatz das Pumpenmodul von dort aus umsetzen. Ich wer-de es mit Hilfe des Roboterarms, ich werde quasi direkt vorne auf dem Roboterarm be-festigt sein, in den Händen halten, um es auf die ESP-2** Palette zu bringen und dort zu deponieren. Dann gibt es noch die Lab-Kamera, also die Kamera 13, die am ameri-kanischen Forschungslabor „Destiny“ montiert ist. Die Kamera hat ein Problem mit dem Licht, und wir tauschen die Lampe aus. Die Kamera hat eine Lampe, um die Station von außen anzustrahlen, wenn man mit dem Roboterarm arbeitet. Diese Lampe werde ich austauschen. Und dann haben wir noch eine relativ große Aufgabe, um die mobile Ba-sis des Roboterarms neu zu verkabeln. Die mobile Basis ist der Wagen, der auf der Gitterstruktur mit dem Roboterarm entlang fahren kann. Was er bisher allerdings nicht kann ist, den Roboteram mit Energie versorgen, wenn dieser Wagen zwischen den ei-gentlichen Arbeitsplätzen geparkt ist. Wir haben da acht verschiedene Arbeitsplätze, wo er parken und Strom bekommen kann. Wenn er dann nicht genau da geparkt ist, dann bekommt er keinen Strom für den Roboterarm. Dieses neue Kabel, das wir da einzie-hen, das ist ein relativ komplexes System mit sehr vielen Steckverbindungen, das er-laubt dem mobilen Basiswagen, den Roboterarm auch dann mit Strom zu versorgen, wenn er zwischen diesen Arbeitsplätzen geparkt ist. Dann gibt es noch eine Reihe so-genannter „get ahead tasks“, also zusätzliche Aufgaben, die noch, falls noch Zeit dazu ist, ausgeführt werden können. Beispielsweise die Verlegung eines Kabels für das rus-sische MLM-Modul***, das war eine Aufgabe aus einem früheren Außenbordeinsatz, die nicht erledigt werden konnte.
*(EVA – Extra Vehicular Activity)
**(ESP-2 – External Stowage Platform-2)
***(MLM – Multipurpose Laboratory Module)
Wie oft haben Sie den Außenbordeinsatz in dem großen Tauchbecken bei der NASA in Houston trainiert?
Insgesamt habe ich etwa 25 EVA-Trainingseinheiten während meiner gesamten Ausbil-dung durchgeführt. Die meisten davon gehörten zum Basistraining, um Techniken und Standard-Wartungsarbeiten kennen zu lernen und zu trainieren. Man lernt bei diesen Trainingseinheiten bei einem unverhofften Notfall die notwendigen Reparaturen an der Station durchzuführen. Für den geplanten Außenbordeinsatz, den ich zusammen mit Reid Wiseman durchführen soll, haben wir etwa fünf Trainingseinheiten absolviert.
Für wann ist dieser Außenbordeinsatz geplant?
Die EVA ist geplant für den 17. Juli, aber das Datum kann sich aber immer noch etwas nach hinten verschieben. Wann es genau sein wird, das hängt von sehr vielen Dingen ab. Es ist auch nicht sicher, ob die Raumanzüge bis dahin wieder klar sind. Man arbei-tet noch daran, um genau zu analysieren, wie es zu dem Problem bei einer der vorheri-gen EVA`s gekommen ist, als bei meinem Kollegen Luca Parmitano Wasser in seinen Helm gelangt ist, und die EVA daraufhin abgebrochen werden musste. Man muss noch weitere Untersuchungen anstellen, bis man die Freigabe erteilen kann, dass das Sys-tem wieder in Ordnung ist, und dass man sich sicher ist, mit den Raumanzügen wieder außerhalb der Station arbeiten zu können.
Wie gefährlich ist solch eine Raumflugmission? Haben Sie Angst?
Man muss ehrlich zu sich selbst sein. Die bemannte Raumfahrt ist nicht ungefährlich da wir an der Grenze der Technologie arbeiten. Beim Start sitzen wir auf etwa 300 Tonnen Treibstoff, das sind etwa 26 Millionen PS. Was die Angst betrifft da kann sich sicherlich kein Mensch ganz davon freisprechen. Jeder von uns hat Angst, wenn er weiß, dass das eigene Leben in Gefahr ist. Aber Angst entsteht nur dann, wenn man befürchten muss, die Kontrolle zu verlieren. Wir versuchen, das zu vermeiden, indem wir unser Raumschiff in- und auswendig kennen lernen und jedes Training, jede Notfallübung trägt dazu bei. Das viele Training versetzt einen in die Lage, die Angst zu verdrängen, um seine Arbeit machen zu können. Ich empfinde deshalb keine Angst aber großen Respekt.
Auf was freuen Sie sich am meisten für Ihre bevorstehende Mission zur ISS?
Ich denke, eines der Sachen, die mich mit Sicherheit faszinieren werden, ist der Blick auf unsere Erde. Ich freue mich auf diesen Blick aus der Aussichtskuppel auf diesen blauen Planeten, der von der Raumstation aus noch sehr groß aussieht. Aber dennoch ein kleiner blauer Planet ist, der durchs Weltall treibt, und auf den wir aufpassen müs-sen. Außerdem wird der mögliche Außenbordeinsatz, den ich durchführen werde, einer der Höhepunkte meiner Mission werden. Bei einem Außenbordeinsatz außerhalb der Raumstation zu arbeiten, ist eine der größten Herausforderungen, aber das wird auch ein unvergessliches Erlebnis sein.